Frauengruppe
Viertel nach neun und mein Tag im Projekt-Laden beginnt. Auf dem Weg in die Metzstraße war ich noch beim Bäcker um Brot und Brezn zukaufen, denn in 15 Minuten beginnt schon die Frauengruppe. Als ich reinkomme sitzen schon zwei ältere Frauen, die jede Woche zu uns kommen, da und warten geduldig auf halb zehn, den Beginn des gemeinsamen Frühstücks. Die Frauengruppe ist ein wöchentlicher Treff, bei dem sich Frauen aus aller Welt zusammenfinden, sich austauschen, gemeinsam frühstücken und für zwei Stunden an einem Ort außerhalb ihres Alltags und ihren Familien zusammenkommen. So ganz ohne Familie stimmt aber nicht, denn kleine Kinder dürfen natürlich mitgebracht werden und da komme ich ins Spiel. Ich heiße Paula, bin xx Jahre alt und bin seit September 2023 die FSJlerin im Projekt-Laden.
Meine Hauptaufgabe in der Frauengruppe ist neben dem Kaffeeaufsetzen und dem Brotkorb-Auffüllen, die Kinderbetreuung. Meistens habe ich nur ein Kleinkind hier, mit dem ich mich intensiv beschäftige. Wir spielen gemeinsam Spiele, ziehen eins nach dem anderen aus dem Schrank.
Zuerst wird eine Zugstrecke gebaut mit einer kleinen aber feinen Haus- und Baumlandschaft drum herum. Die magnetischen Zugteile fahren mit lautem „Tüütüüü“ über die Schienen. Die Augen durchsuchen den Raum und schon ist das nächste Spielzeug im Visier: der kleine Holzkicker! Bevor wir loslegen können, muss ich erst einen Ball holen. Das Kind ist noch nicht ganz vertraut mit dem Spiel, daher landet der Ball öfter mal mit den Händen im Tor. Aber das ist kein Problem, wir jubeln trotzdem. Als nächstes erkunden wir das kleine Trampolin an der Wand. Ich räume den Platz frei, lege eine Matte davor, und wir hüpfen ausgelassen. Selbst das Kuscheltier aus dem Schrank macht mit und wird wild durch den Raum geworfen. Es macht einfach Spaß! Wir rollen uns über den großen Gymnastikball, der fast so groß ist wie das Kind selbst. Als das Minitrampolin nicht mehr spannend genug ist, schauen wir uns gemeinsam Bücher an. Obwohl das Bilderbuch über Eisenbahnen nicht begeistert, entdecken wir die faszinierenden schwarz-weiß Zeichnungen in "Madita" und spielen, indem wir auf die Personen im Buch zeigen und "Papa" oder "Mama" sagen.
Im Nebenraum, wo wirklich die „Mama“ sitzt, bespricht die Leiterin der Frauengruppe mit den Anwesenden Adjektive, die Personen charakterlich und äußerlich beschreiben. Jede soll ihren Namen aufschreiben und zu den einzelnen Buchstaben jeweils ein passendes Wort schreiben. Die Deutschkenntnisse sind sehr verschieden, dementsprechend auch die Umsetzung der Aufgabe. Es wird sich gegenseitig geholfen, bis am Ende jede etwas auf ihrem Zettel stehen hat. Langsam höre und sehe ich, dass Aufbruchsstimmung bei den Frauen herrscht, und sie räumen alle ihr Geschirr in die Küche. Hier helfen alle mit: Spülmaschine einräumen, Tisch abräumen, Tisch wischen und schon ist alles geschafft. Für mich auch sehr angenehm, denn so habe ich nachher in der Küche nicht mehr so viel zu tun.
Dann wird mein Spielkumpan auch schon von seiner Mutter eingesammelt, und es wird sich verabschiedet. Eine der Frauen kommt mit drei Zetteln in der Hand auf mich zu und bedankt sich noch einmal für einen Anruf, den ich für sie getätigt habe. Dabei habe ich einen Termin zur Rauchmelder Montierung abgesagt und um eine Verschiebung gebeten. Diesmal geht es um die Rundfunkgebühren. Auch da helfe ich natürlich sehr gerne und freue mich selber, dass ich durch so eine „Kleinigkeit“, ein so ehrliches Dankeschön bekomme!
Kindergruppe
Sobald die Frauen alle weg sind, wird für die Kindergruppe vorbereitet. Das ist unsere einzige Gruppe, die mehrmals die Woche stattfindet, genaugenommen von Montag bis Donnerstag. Hierher kommen dann Kinder aus den umliegenden Grundschulen und dem Förderzentrum, um zu spielen, basteln und ihre Hausaufgaben zu machen. Man könnte also auch sagen, dass wir eine Art Hort oder Nachmittagsbetreuung sind, nur liegt bei uns der Fokus auf der Lernförderung der Kinder, deren Muttersprache zum Großteil nicht Deutsch ist. Die benötigte Unterstützung bekommen die Kinder hier bei uns, und es gibt sogar einige ehrenamtliche Lernpat*innen, die mit jeweils einem Kind einmal pro Woche eine ganze Stunde lang intensiv lernen.
Eben ist die Leiterin der Kindergruppe zur Tür hereingekommen, wir begrüßen uns und teilen uns auf. Sie bereitet die Anwesenheitsliste vor und beschreibt unsere Tafel mit den Terminen der Kinder, sowie unserem heutigen Tagesplan. Heute ist Kindertag, was heißt, dass die Kinder entscheiden dürfen, was sie in ihrer Freizeit machen wollen. Auf der Tafel findet die erste Entscheidung statt: drinnen bleiben oder rausgehen. Jeder und jede darf hinter seinem Namen dann ein entsprechendes Kreuz setzen.
Währenddessen bin ich in der Küche und bereite alles fürs Mittagessen und die Brotzeit vor. Teller und Gläser rausstellen, Besteck und Wasserkanne auf den Tisch stellen, auf zwei Tablets Plastikbecher und –teller bereitlegen, Obst, Bretter und Messer daneben. Dazu kommen noch ein paar Schlüsselchen und Löffel, falls beim Mittagessen vom Pudding was übrigbleibt. Noch Brot herrichten und den Herd auf niedriger Stufe einschalten und schon sollte alles geschafft sein. Fast…,die Stühle müssen noch um den Tisch verteilt werden. Gegessen wird nämlich in der Küche, zumindest mittags.
Faschingszeit
Solange noch niemand da ist, nehme ich mir zur Aufgabe, schon einmal für unsere Bastelstation auf der Faschings Feier etwas vorzubereiten. Die Idee ist, Schärpen von den Kindern bemalen zu lassen. Dafür haben wir von unserer Ehrenamtlichen aus der Nähgruppe eine alte Rolle Bügelvlies bekommen, auf dem sich super malen lässt. Die Feier wird mit unserer Unterstützung vom AKA organisiert, dies ist einer unserer Kooperationspartner. Dieses öffentliche Fest findet jedes Jahr am Rosenmontag statt, und für einen kleinen Eintrittspreis kann jedes Kind im Alter von 5 – 12 Jahren dabei sein. Das diesjährige Thema ist Freundschaft, weshalb die Schärpen passend dazu mit dem Freund oder der Freundin gemeinsam vorort gestaltet und natürlich direkt getragen werden können. Also beginne ich damit, in zwei verschiedenen Größen, lange Streifen zurechtzuschneiden.
Unser Mittag
Da höre ich auch schon die Türglocke und das darauffolgende Kinderlachen. Meine Kollegin kümmert sich erstmal allein, da sowieso ab halb eins nur zwei der zehn Kinder kommen. Die übrigen kommen dann ab kurz nach 13 Uhr. In dieser halben Stunde mache ich dann meistens meine Pause, in der ich bei gutem und warmen Wetter auch gern rausgehe. Oder ich bleibe drinnen und lese oder so.
Während meiner Pause kommt dann auch meistens die Zweitkraft der Kindergruppe. Sie arbeitet vormittags als Schulbegleitung, kommt danach zu uns, macht hier ihre wohlverdiente Pause und startet dann mitten ins Geschehen. Nach meiner Pause im gemütlichen Büro, bin ich dann an der Reihe das Mittagessen für die nachfolgenden Kinder auszugeben. Alle dürfen an dem kleinen Tisch sitzen wo sie möchten, und wenn von den insgesamt fünf Plätzen gerade keiner frei ist, wird solange noch gespielt.
Auch ich esse gemeinsam mit den Kindern, denn das Essen darf man sich wirklich nicht entgehen lassen. Jeden Tag wird von unserer „Hauswirtschafterin“ frisch gekocht und das schmeckt man einfach. Sie sorgt außerdem täglich für saubere Räume! Heute ist Mittwoch, da gibt es immer Suppe und eine Nachspeise. Diesmal ist es Buttergemüsesuppe und Vanillepudding, was nur halb gut ankommt, aber so ist das eben mit Kindern. Während des Essens erkundige ich mich über den Tag der Kinder, und sie erzählen sich gegenseitig Geschichten, die ihnen so einfallen. Nachdem alle fertig gegessen haben, wird wild durch die Räume getobt, geturnt oder es werden Brettspiele gespielt. Ich räume erstmal noch die Küche auf, fülle die Reste in Tupperboxen, spüle den Topf ab und mache die Flächen sauber.
Die Leiterin der Kindergruppe kommt zur Küchentür rein und wir besprechen uns kurz, wer rausgeht und wer drinnen bleibt. Am Ende bleibe ich drinnen, und sie geht mit drei Kindern raus. Diesmal wird jedoch nicht wie normalerweise auf den Spielplatz gegangen, sondern es werden Flyer in der Nachbarschaft verteilt. Bei besonderen Veranstaltungen, die für die Öffentlichkeit zugänglich sind, machen wir das so. Die Flyer sind für die Faschingsfeier, aber im Winter habe ich zum Beispiel auch schon für den jährlichen Weihnachtsbasar plakatiert.
Während die anderen draußen sind, wird drinnen im dritten Raum fleißig geturnt, im zweiten Raum Uno gespielt und ganz vorne werden noch Bilder gemalt und gebastelt, natürlich zum Thema Fasching. Heute gibt es keine besonderen Vorkommnisse, alles ist ganz entspannt und alle wirken zufrieden. Um kurz vor drei ist dann Zeit aufzuräumen, weil es jetzt gleich Brotzeit gibt. Als dann jeder Raum aufgeräumt ist und nach rumliegenden Spielsachen geprüft wurde, werden Hände gewaschen und es wird sich in der Küche angestellt. Auch ich wasche meine Hände und gebe anschließend jedem Kind einen Teil für die Brotzeit in die Hand, der dann an den großen Tisch im ersten Raum getragen wird. Meistens gibt es Bananen, Äpfel, Nüsse, Reiswaffeln und ein anderes saisonales Obst, heute ist es Kiwi. Da noch Pudding übrig ist, kommt der auch noch mit vor, falls noch jemand davon essen will. Die Gruppe von draußen ist immer noch nicht zurück und ich bin am Überlegen, ob sie sich vielleicht verlaufen haben. Als sie dann zur Tür herein gestürmt kommen, bestätigt sich meine Vermutung. Aufgeregt und mit roten Wangen wird von dem Erlebten berichtet. Die Brotzeit kommt da sicher gelegen, um etwas zur Ruhe zu kommen. Seit ich einmal Kiwis gekauft habe, sind vor allem diese sehr beliebt. Ich schaue, dass alles rumgereicht und gerecht verteilt wird.
Kurz vor halb vier steht dann die Ehrenamtliche, die immer mittwochs kommt und immer mit demselben Kind Hausaufgaben macht und lernt, in der Tür. Das ist unser Zeichen aufzuessen und auf einer Fremdsprache noch bis zehn zu zählen. So machen wir das immer am Ende der Brotzeit. Gerade lernen wir spanisch, da die neue Gruppenleiterin aus Spanien kommt. In den letzten Monaten hatten wir schon somalisch, türkisch, ukrainisch und englisch. Ich wünschte, ich könnte mir die vielen neuen Wörter so gut merken wie die Kinder.
Nun tragen alle ihre Teller und Becher selbstständig in die Küche, wo dann eine der Erwachsenen direkt aufräumt. Der Putzdienst – das sind drei Kinder - von heute muss noch den Tisch wischen, abtrocknen und den Boden kehren. Dafür gibt es einen Plan, der zeigt, wer an welchem Wochentag dran ist. Ist alles sauber, geht es an die Hausaufgaben. Das heißt: eine Stunde volle Konzentration! Damit kein Chaos bei der Sitzordnung entsteht, hat jede/r seinen festen Platz, entweder im ersten oder zweiten Raum. Im dritten Raum ist immer das Kind, dass mit einer der Ehrenamtlichen lernt. In diesem Schuljahr kommt sogar an jedem Tag jemand und entlastet so die Hausaufgabenzeit. Im ersten Raum, in dem ich meistens bin, sind heute nur zwei von fünf Kindern da, weil zwei krankgemeldet sind und eine mit der Ehrenamtlichen lernt. Das bedeutet für mich eine entspannte Stunde und ich nutze die Zeit, um die Schärpen weiter zurechtzuschneiden. Eines der Kinder hat heute keine Hausaufgaben, wahrscheinlich, weil bald Ferien sind. Für diesen Fall hat jedes Kind seine eigene Mappe bei uns, in der es Übungsblätter findet. Die Stunde soll so gut wie möglich genutzt werden und alle arbeiten im besten Fall leise und konzentriert. Klappt mal besser und mal weniger gut. Wer in der letzten Viertelstunde schon fertig ist, darf malen oder einem Kind, das noch nicht fertig ist, helfen.
Um vier, also zur Halbzeit, kommt dann unsere Chefin mit einem Schülerpraktikanten rein. Er hat heute Vorstellungs- und Schnuppertag. Solange alle noch still beschäftigt sind, kann auch er sich noch für einen Moment hinsetzen, bis er alle und alles kennenlernen darf. Natürlich wird gleich ganz aufgeregt getuschelt und gefragt, wer das wohl sein könnte… Ich kläre kurz auf, dass das ein Praktikant ist, den sie nach der Hausaufgabenzeit, dann kennenlernen können. Um halb vier wird aus dem zweiten Raum der Geräuschpegel immer höher und die zwei bei mir können jetzt auch zusammenpacken. Ein wildes Aufräumen, Stühle rücken und Gequatsche geht los. Die zweite Verantwortliche der Kindergruppe hat jetzt Feierabend und wir anderen beiden beschließen einen Stuhlkreis zu machen, damit der Praktikant sich vorstellen kann. Alle haben Fragen und sind neugierig. Die Mädels kichern und flüstern, denn ein junger Mann in der Runde ist doch etwas Besonderes. Als dann alles geklärt ist und Fragen beantwortet wurden, ist der Tag in der Kindergruppe auch schon fast vorbei.
Tagesabschluss
Zum Schluss findet nämlich immer noch ein Abschlusskreis statt, bei dem unser Kapitän oder unsere Kapitänin eine wichtige Frage zum Ende des Tages stellt. Die Frage lautet: „War heute alles fair und gerecht?“. Damit wollen wir erreichen, dass alle Ungerechtigkeiten, die im Laufe des Tages vorkommen, ausgesprochen werden und man Lösungen findet, wie es besser hätte laufen können. Der Kapitän oder die Kapitänin hat außerdem noch die Aufgabe, über den Tag Streitigkeiten zu klären oder einen Erwachsenen dazu zu holen. Gewählt wird ca. alle vier Wochen und man kann pro Schuljahr auch nur einmal diese Rolle übernehmen. Zuletzt in unserem Kreis darf der Kapitän oder die Kapitänin noch einen „Abschluss-Move“ machen, den wir alle mitmachen. Kaum ist die Bewegung beendet, stürmen alle aufs Schuhregal los, um sich umzuziehen. Wer clever ist, zieht sich zuerst seine Jacke an und dann in Ruhe seine Schuhe. Mit einem Handschlag verabschieden sich alle nacheinander. Manche dürfen alleine gehen, und manche werden auch abgeholt.
Nachdem dann alle weg sind und wieder Ruhe eingekehrt ist, erklären wir dem Praktikanten noch unsere Aufgaben am Tagesende. Dazu gehört Stühle hochstellen, Müll rausbringen und evtl. noch die Küche fertig aufräumen. Sonst hat er erstmal keine Fragen, und wir verabschieden uns bis in zwei Wochen, wo dann sein Praktikum beginnt.
Eine Freundin wird mich heute abholen, worauf ich mich sehr freue, und bis dahin richte ich noch eine Kiste her, mit allem, was wir für das Angebot an der Faschingsfeier brauchen: Stifte, Malunterlage, Tacker, Locher, Scheren, noch mehr Stifte… Alles erledigt, also ziehe ich mich an, nehme den Müll mit und verabschiede mich noch. Wenn ich als letzte gehen würde, müsste ich jetzt noch Lichter ausmachen und absperren.
Schon ist mein Tag im Projekt-Laden vorbei, der mir wie fast immer, sehr viel Spaß bereitet hat!
Eure
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